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VEGANE LANDWIRTSCHAFT

Wir missachten die planetaren Grenzen. Es droht die Klimakrise. Eine besondere Rolle spielen dabei Landwirtschaft und Ernährung, sagen 42 Wissenschaftler:innen aus unterschiedlichen Disziplinen, und schlagen Alarm. (Fesenfeld et al. 2023)

Stark ins Gewicht fällt die Tierhaltung. Diese erfordert im Vergleich zum Pflanzenbau besonders viel Energie, Fläche, Wasser. Da die heutige Landwirtschaft stark auf die tierliche Produktion ausgerichtet ist, droht sie die Umweltziele zu verfehlen. (Lobsiger, Huddleston, Schläpfer 2022)

Trotzdem steigen die Schlachtzahlen unvermindert an. Im Jahr 2022 wurden alleine in der Schweiz über 85 Millionen «Nutztiere» getötet. Die meisten verbringen ihr Leben in Massentierhaltung. (TIF 2022a, TIF 2022b) 

Langsam findet in der Bevölkerung ein Umdenken statt. Die vegane Lebensweise boomt seit Jahren. Selbst Omnivor:innen greifen immer mehr zu veganen Alternativen. Laut Coop (2023) sind die Flexitarier:innen mit 63 Prozent bereits in der Mehrzahl. 17 Prozent der Schweizer Bevölkerung befürworten gar die Schliessung der Schlachthäuser. (TIF 2019)

Noch ist die vegane Bewegung primär städtisch (TIF 2022c), doch auch auf dem Land tut sich was: Immer mehr Bauernhöfe hören auf, ihre Tiere zu töten. Sie betreiben eine vegane Landwirtschaft: Sie produzieren, ohne zu töten. Stefan Mann (2022),  Agronom und Forscher bei der renommierten Forschungsanstalt des Bundes, Agroscope, nennt es «postletale Landwirtschaft».

Vegan ackern

für die Tiere

Eine vegane Landwirtschaft ist grundsätzlich kein Problem. Die Frage ist – wie bei anderen Produktionsformen auch –, wie die Pflanze zu ihren essenziellen Nährstoffen kommt: etwa Stickstoff oder Phosphor. 

Eine Möglichkeit bietet konventioneller Mineraldünger. Dieser ist bereits heute vegan und kommt in der Schweiz mehrheitlich zum Einsatz. Der Haken: Bei der Herstellung entstehen grosse Mengen CO₂, weshalb die konventionelle Anbauweise u.a. in der Kritik steht und der Dünger im biologischen Anbau verboten ist. 

Vegane und obendrein biologische Alternativen bieten etwa Kompost oder Mulch. Erste wissenschaftliche Feldversuche im Bio-Landbau deuten darauf hin, dass Kompost gute Erträge erzielen kann. (Mann 2022) Beim Mulchen wird Pflanzenabfall wie Gras oder Laub auf dem Ackerboden belassen. Das schützt den Boden, speichert Feuchtigkeit und gibt Nährstoffe zurück. Ausserdem kann Mulchen Unkraut reduzieren. 

Eine weitere Methode sind Gründüngungen. Dabei werden separate Pflanzen eingesetzt, um den Boden mit Nährstoffen zu versorgen und das Bodenleben zu verbessern. Die unterschiedlichen Pflanzen fördern und stärken sich gegenseitig. So können unter der Bodenoberfläche mit unterschiedlichen Wurzelarten diverse Nährstoffe in verschiedenen Tiefen erschlossen werden. (Schweizer Bauer 2023)

Die Sache

mit dem Grasland

Eines der beliebtesten Argumente gegen die vegane Landwirtschaft fokussiert auf das Grasland. Heute sind 30 Prozent der gesamtschweizerischen Fläche Grasland (eAGFF 2023), zumeist in höheren Lagen, wo die Produktion erschwert ist. Würde man dort auf Landwirtschaft verzichten, drohen die Alpen zu verbuschen. Zwar sind einzelne Büsche für die Biodiversität förderlich. In vielen Regionen verdrängt jedoch die dominante Grünerle andere Arten. Eine Beweidung der verbuschten Flächen kann die Pflanze zurückdrängen. (Tobias Zehnder et al. 2020)

Das spricht jedoch nicht gegen eine vegane Landwirtschaft. Kühe, Schafe oder Ziegen könnten weiterhin unsere Berge pflegen, ohne dass wir sie ausbeuten und töten. Natürlich müsste man das Herdenmanagement anpassen: Statt ständig neue Tiere aufzunehmen und wieder zu schlachten, müsste der Bestand möglichst konstant gehalten werden. Kommt hinzu, dass Getreide in immer höheren Lagen angebaut wird. Noch fehlt es an Forschung zu beständigen Sorten und staatlicher Unterstützung für die aufwändige Produktion. 

Ein anderer Ansatz ist die gezielte Bewaldung in höheren Regionen bis zur Baumgrenze. Wälder haben eine hohe Biodiversität und speichern CO₂ in der Erde. 

DIE GANZE SCHWEIZ VEGAN?

Ist das realistisch?

Theoretisch könnte die Schweizer Landwirtschaft komplett veganisiert werden und weiterhin die für ein gesundes Leben erforderlichen Mikro- und Makronährstoffe produzieren. Schwierig werden könnte es mit Bio: Eine vegane und zudem biologische Landwirtschaft hingegen scheint die Schweiz nicht alleine ernähren zu können, da dort der Anteil an unproduktiven Grünlandflächen höher ist und zudem die Erträge geringer ausfallen. (Krayer 2021)

Um die vegane Landwirtschaft sichtbarer zu machen, braucht es ein entsprechendes Label, analog zur Bio-Knospe. Dieses liefert der 2016 gegründete Förderkreises Biozyklisch-Veganer Anbau e. V.. Nach dessen Richtlinien produzieren europaweit rund 100 Betriebe, einer davon in der Schweiz. (Stähli 2023) 2018 wurde der biozyklisch-vegane Standard als einer von drei globalen Bio-Standards durch die internationale Vereinigung IFOAM anerkannt. (Mann 2022)

Für eine vegane Landwirtschaft braucht es auch die Politik. Diese stützt derzeit primär die tierliche Produktion. Über 80 der landwirtschaftlichen Direktzahlungen fliessen in die Tierproduktion. (Schläpfer 2020) Immerhin: Seit 2023 fördert der Bund auch Leguminosen wie Kichererbsen oder Linsen. Der Bundesrat hat die entsprechende Verordnung geändert, um der steigenden Nachfrage von pflanzlichen Proteinen und dem Trend nach einer ausgewogeneren, pflanzenbasierten Ernährung Rechnung zu tragen. (Schweizer Bauer 2022)

Nicht auf die Politik gewartet hat Sarah Heiligtag vom Hof Narr. Seit 2017 unterstützt sie Landwirt:innen beim Ausstieg aus der Tierproduktion. Seither hat sie bereits über 140 Betriebe bei ihrer TransFARMation beraten und begleitet.

Quellen

Coop 2023, Plant Based Food Report.

eAGFF 2023, Die Schweiz – Ein Grasland.

Fesenfeld et al. 2023, Wege in die Ernährungszukunft der Schweiz, Sustainable Development Solutions
Network Switzerland.

Patricia Krayer 2021, Modeling environmental and nutritional impacts of vegan agriculture, ZHAW.

Stefan Mann 2022, Postletale Landwirtschaft, Springer Fachmedien Wiesbaden.

Michael Lobsiger, Christopher Huddleston, Felix Schläpfer, 2022, Indirekte Kosten unterschiedlicher Ernährungsstile in der Schweiz, Vision Landwirtschaft.

Felix Schläpfer 2020, Kosten und Finanzierung der Landwirtschaft, Vision Landwirtschaft.

Schweizer Bauer 2022, Kichererbsen und Co. für Euch eine Option?.

Schweizer Bauer 2023, «Die Kosten von Gründüngung lohnen sich».

Tier im Fokus (TIF) 2019, 17 Prozent der Leute wollen die Schlachthäuser schliessen.

Tier im Fokus (TIF) 2022a, Die Eier-Leier.

Tier im Fokus (TIF) 2022b, Optiqual.

Tier im Fokus (TIF) 2022c, Vegan Barometer 2022

Tobias Zehnder et al. 2020, Dominant shrub species are a strong predictor of plant species diversity along subalpine pasture-shrub transects, Springer Link.